Gotthold Ephraim Lessing zu Besuch an der MWS


Warum sind Sie nicht Pfarrer geworden?
Naja, es war das, was meine Eltern wollten. Nie durfte ich tun, was ich wollte. Aus diesem Grund habe ich mich dagegen entschieden und habe meine Interessen „Theater“ und „Kunst“ verfolgt.

Beschreiben Sie bitte die Zeit in Wolfenbüttel.
Nachdem das Projekt „Ein Nationaltheater für Deutschland“ gescheitert ist, begann diese heikle Phase meines Lebens. Ich hatte mit dem Theater abgeschlossen. Ich habe sehr wenig Geld verdient. Als ich um eine Erhöhung bat, bekam ich zunächst keine Antwort. Dabei hat oft das Geld nicht einmal für genug Brennholz ausgereicht.

In Emilia Galotti zeigen Sie bereits im ersten Aufzug einen Maler, der um eine Gehaltserhöhung bittet. Können wir Leser das eventuell biografisch deuten?
Ja, natürlich. Ich wollte darstellen, wie schwer man es damals als Künstler hatte. „Die Kunst geht nach Lohn!“, so das Zitat aus meinem Werk. Leider…
Was halten Sie von der Inszenierung der Emilia in modernen Aufführungen?
Die Kleidung wirkt sehr freizügig. Dies entspricht meiner Meinung nach nicht der Tugendhaftigkeit ihrer Gestalt. Ebenso stelle ich mir ihr Brautkleid prachtvoller vor.

In Ihrem Stück gibt es keine Anweisungen für eine musikalische Untermalung. Finden Sie Musik im Theater sinnvoll?
Die Musik an sich ist angenehm und kann an der richtigen Stelle, den Effekt auf den Zuschauer/die Zuschauerin steigern. Mitleid und Furcht sollen bekanntlich beim Leser bzw. Zuschauer ausgelöst werden.
Emilia stirbt bekanntlich am Ende durch den Dolchstoß des eigenen Vaters.

LessingWas halten Sie von Inszenierungen, in denen Emilia am Leben bleibt?
Natürlich ist das eine gewagte Variante, die nicht meinen Überlegungen entspricht. Mir war wichtig, dass deutlich wird, dass sie sich selbstbestimmt gegen ein Leben als Mätresse des Prinzen entscheidet. Ihr einziger Ausweg ist der Tod. Ich denke deshalb, dass mit einer lebendigen Emilia mein Werk seine aufklärerische Wirkung verliert.

Es hagelte viel Kritik nach der Uraufführung. Warum haben Sie diese Kritik nicht genutzt, um ein neues und besseres Stück zu schreiben?
Ich war enttäuscht. Die Enttäuschung über die Entwicklung des Theaters und über die Menschen , aber auch meine finanziellen Schwierigkeiten haben mich daran gehindert.

Warum haben Sie sich aus der Theaterarbeit zurückgezogen?
Ich habe gemerkt, dass meine Arbeit keinen Einfluss auf die Menschen, die Politik hat. Die Bühne erschien mir unwirksam.

Haben Sie beim Zuschauer und Leser die Fähigkeit Mitleid zu fühlen erweitert?
Ich habe es versucht. Die Personen mit den besten Eigenschaften, sollten am unglücklichsten werden. Die Reaktionen im Publikum wirkten eher teilnahmslos oder sie haben sogar gelacht. Vielleicht hätte ich den Zuschauern die Emilia als Person näher bringen sollen. Sie taucht ja auch nur im 2. Aufzug und im 5. Aufzug auf.

Warum lässt sich Emilia nach dem Tod ihres Bräutigams direkt vom Prinzen verführen?
Emilia ist dem Prinzen schon immer sexuell zugeneigt. Er erregt sie. Die Begegnung in der Kirche, wo er sie aufsucht, überwältigt sie und schafft ein riesiges Gefühlschaos.

Woran erkennt man, dass Ihr Stück in der Epoche der Aufklärung entstand?
Goethe und Herder haben mich gelobt. In der Konfrontation von Adel und Bürgertum treffen verschiedene moralische Grundsätze aufeinander: Sex und Verführung auf der einen Seite und Tugend, Ehre  und Gehorsam auf der anderen Seite.

(Redaktion: SG11/2 und Halama)